Kolpingsfamilie

Verbandsgeschichte Teil3

Kolping

1901 bis 1933

Zentralisierung und Internationalisierung

 

Wendepunkt in der Geschichte

Der Tod des Generalpräses Sebastian Georg Schäffer markiert einen Wendepunkt in der Verbandsgeschichte. Schäffer, der sein Amt 35 Jahre ausübte, setzte auf Kontinuität des Kolpingschen Erbes. Die nächsten Jahrzehnte wurden jedoch aufgrund der massiven politischen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt durch raschen und vielfältigen Wandel in Richtung Zentralisierung und Internationalisierung.
    
GP Franz Hubert
Maria Schweitzer




1. Ausgabe Kolpingsblatt





Einweihung Kolpingdenkmal

 

1901 – 1918 Die letzten Jahre des Kaiserreichs

Das neue Jahrhundert begann für das Kolpingwerk mit gravierenden Beschlüssen bzw. Ereignissen: Am 1.1.1901 erscheint erstmalig das „Kolpingsblatt“ als Verbandsorgan, das die von Kolping gegründeten „Rheinischen Volksblätter“ ablöste. Am 16.11.1901 stirbt Schäffer. Sein Nachfolger wird Franz Hubert Maria Schweitzer, der sein Amt bis 1924 ausübt. Im September 1902 beschließt die Generalversammlung die Einrichtung eines Generalsekretariates als Verbandszentrale sowie eines Generalrates, der als Leitungsorgan dem Generalpräses an die Seite gestellt wird. Ebenfalls fällt der Beschluss über die Einführung von Mitgliedsbeiträgen.

In der Folgezeit erfolgten weitere Schritte in Richtung Zentralisierung: 1904 wird eine Zentral-Sterbekasse eingeführt. 1907 trägt der Gesamtverband die offizielle Bezeichnung "Verband katholischer Gesellenvereine". Im gleichen Jahr wird der Generalrat in eine juristische Person umgewandelt und damit zum Vermögensträger des Verbandes. 1909 werden die vielen örtlichen Krankenkassen der Gesellenvereine zusammengeschlossen in die „St. Joseph-Krankenunterstützungskasse“. Am 1.1.1914 erscheint erstmalig für die Leitungskräfte des Verbandes die Führungszeitschrift "Der Führer". Sie wird parallel publiziert zu den schon lange bestehenden „Mitteilungen für die Präsides“.
 
Mit den organisatorischen Neuerungen wollte man die Zukunftsfähigkeit des Werkes absichern. Dazu gehörte auch das Bemühen, die Erinnerung an Adolph Kolping lebendig zu halten. Am 12. Juli 1903 wird das Kolpingdenkmal vor der Minoritenkirche in Köln eingeweiht. Es gehört seither, wie das Grab Kolpings in der Minoritenkirche, zu den meist besuchten Gedenkstätten in Köln. Die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses wird am 8.8.1906 von dem Wiener Erzbischof Gruscha, einer der engsten Vertrauten Kolpings, angeregt.

Der erste Weltkrieg stellte einen tiefen Einschnitt für den Verband mit seinen ausschließlich männlichen Mitgliedern dar. Kriegsbedingt kam die Verbandsarbeit in den Jahren 1914 -1918 weithin zum Erliegen. Denn mehr als zwei Drittel aller Mitglieder wurden zum Kriegsdienst einberufen; fast jeder Dritte von ihnen kehrt nicht wieder zurück.
 

1919-1933 Weimarer Republik

Nach dem 1. Weltkrieg erlebte die Arbeit des Katholischen Gesellenvereins einen raschen Aufschwung. Die Mitgliederzahl stieg und zahlreiche Gesellenvereine wurden gegründet, auch außerhalb Europas. Die Verbandsarbeit blieb jedoch weitgehend unverändert, ebenso die Zielgruppe der ledigen männlichen Handwerksgesellen.

Die Weimarer Republik mit ihrer demokratischen Regierungsform schuf ein günstiges Klima für Vereine. Der Verband und seine Mitglieder nutzten nun engagiert die Möglichkeiten zur aktiven Teilhabe am politischen Leben. Der Demokratisierungsprozess war auch im Verband selbst nicht mehr aufzuhalten. Seit 1921 können die Vertreter der aktiven Mitglieder an den Generalversammlungen teilnehmen und erlangen damit ein Mitspracherecht. Dies war seit Kolpings Tod über viele Jahrzehnte hinweg ausschließlich den Präsides vorbehalten. Die organisatorischen Rahmenbedingungen wurden ausgebaut: 1923 wird der "Reichsverband der katholischen Gesellenhäuser" gegründet, 1927 ein zentraler Arbeitsnachweis eingeführt und 1932 die Arbeitsgemeinschaft der Fachabteilungen gebildet.

Daneben wurde intensiv die Schulung von Führungskräften vorangetrieben. So fand bereits 1921 die erste Bildungswoche für Vorstandsmitglieder statt. Solche Führungskräfteseminare, aus denen nicht wenige bedeutende Persönlichkeiten in Politik und Gesellschaft hervorgegangen sind, gab es seitdem regelmäßig. Seit 1929 verfügt der Verband sogar über ein eigenes Schulungsheim in Kerpen. Die weitere Entwicklung des Kolpingwerkes in Deutschland wurde im zunehmenden Maße geprägt durch das machtvolle Aufkommen des Nationalsozialismus. Wenn die Verbandsleitung auch über Jahre hinweg die Unvereinbarkeit der katholischen Lehre mit dem Nationalsozialismus betonte, so zeigte sich Anfang der 30er Jahre eine gewisse „Kompromissbereitschaft“

Internationalisierung

Außerhalb Deutschlands schlossen sich viele Vereine auf nationaler Ebene zusammen, z.B. 1922 in Ungarn und 1923 in den USA. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wurden die Generalstatuten im Jahre 1925 neu gefasst. Wichtige Änderungen betrafen die Gründung und Eigenständigkeit von Zentralverbänden. Bestehende Verbände eines politisch selbständigen Landes werden unter bestimmten Voraussetzungen in einem Zentralverband zusammengefasst. So entstanden weitere Zentralverbände 1926 im Sudentenland, 1927 in Rumänien und 1928 in Südtirol. Der deutsche Zentralverband entstand ebenfalls 1928 bei einer ersten gemeinsamen Tagung der Diözesanpräsides und der Mitgliedervertreter der Diözesanverbände. 1929 fand die erste deutsche Zentralversammlung statt, die aus den Diözesanpräsides und den Diözesansenioren bestand. Sie beschloss über das erste Zentralstatut dieses neuen Zentralverbandes.

Die Beschlussfassung der Generalversammlung von 1925 ist ein Meilenstein in der Verbandsgeschichte. Seit dieser Zeit unterscheidet man zwischen den einzelnen selbständigen Zentralverbänden auf der einen und dem Gesamtverband, dem heutigen Internationalen Kolpingwerk, auf der anderen Seite. Während im immer stärkeren Maße die Zentralverbände die konkrete Ausgestaltung der Verbandsaktivitäten bestimmen, konzentrieren sich die internationalen Gremien zunehmend auf die Behandlung mehr grundsätzlicher Fragen. Spätestens ab 1933 lässt sich dann keine einheitliche Geschichte des Kolpingwerkes mehr schreiben.

Trotz oder gerade aufgrund dieser Entwicklung bemühte man sich als katholischer Verein verstärkt um Wahrung der Einheit. Das erstmalig 1921 von der Generalversammlung beschlossene Programm bot dafür eine gute Basis. Damit konnte man sich in einem immer dichter werdenden Netz von gesellschaftlichen Gruppierungen positionieren. Weitere identitätsstiftende Momente bildeten Großveranstaltungen, z.B. die beiden internationalen Gesellentage 1922 in Köln und 1927 in Wien. Sichtbarer Ausdruck für die Gemeinsamkeit ist das 1928 eingeführte „K“-Logo als offizielles Verbandssignet. Ein anderes Zeichen der Geschlossenheit ist das „Haus des Gesellenvereins“ am Kolpingplatz in Köln. Es dient als Verbandszentrale und Sitz des Generalsekretariates und wurde am 20. Juli 1930 eingeweiht.